Klangfarbe (Timbre)

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Klangfarbe (Timbre): Definition und Bedeutung

In der Psychoakustik bezeichnet der Begriff Klangfarbe (engl. Timbre) jene Eigenschaften eines Schalls, die es dem Hörer ermöglichen, Klänge gleicher Tonhöhe, gleicher Lautstärke und gleicher Dauer zu unterscheiden. Laut einer Definition der American Standards Association (ASA, 1960) ist Klangfarbe „das Attribut der Hörempfindung, nach dem ein Zuhörer zwei gleich laute, gleich hohe Töne als unterschiedlich beurteilen kann“. Sie ermöglicht es beispielsweise, unterschiedliche Instrumente in einem Orchester zu erkennen oder die Stimme einer bekannten Person zu identifizieren. Den Grundstein der Klangfarbenforschung legte Helmholtz, indem er zeigte, dass die relativen Stärken der Partialtöne (Obertöne) wesentlich für die Klangfarbe sind. Moderne Forschung hat den Begriff erweitert: Heute ist bekannt, dass unter anderem spektrale und zeitliche Merkmale zur Klangfarbe beitragen.

Akustische Merkmale der Klangfarbe

Obertonstruktur verschiedener Musikinstrumente (nach Olson 1967, Abb. 6.17, 6.24 und 6.26)
Die Spektralanalyse eines Klangs zeigt die Verteilung seiner Energie über verschiedene Frequenzen. In der Abbildung rechts sind (idealisierte) Spektren einiger Musikinstrumente dargestellt. Sie verdeutlichen, dass sich Klänge mit gleichem Grundton im relativen Pegel der Obertöne deutlich unterscheiden. So weist ein Altsaxofon beispielsweise eine weniger starke Obertonstruktur auf als eine Gitarre. Klangfarbenbestimmend ist dabei außerdem das Verhältnis von geraden zu ungeraden Obertönen.  Die Lage des Spektralschwerpunkts (Spectral Centroid), korreliert mit der wahrgenommenen Helligkeit eines Klangs. Ein hoher Spektralschwerpunkt (mehr Energie in hohen Frequenzen) führt zu einem „helleren“, klareren Klang, ein niedriger zu einem „dumpferen“.

Neben dem Frequenzinhalt sind auch zeitliche Merkmale entscheidend: Die Form der Amplitudenhüllkurve (Attack, Decay, Sustain, Release) prägt die Klangfarbe. Klänge mit kurzem, steilem Anschlag wirken „scharf“ oder perkussiv, während langsame Anschläge „weicher“ klingen. Auch modulierte Klänge, wie beispielsweise bei einem Vibrato, besitzen eine charakteristische zeitliche Struktur. Ein weiterer akustischer Parameter ist die Veränderung des Spektrums über die Zeit. All diese Merkmale (Spektralverteilung, Hüllkurve, Modulationsparameter usw.) bilden gemeinsam ein multidimensionales Profil, das die Klangfarbe bestimmt.


Anwendungen

Ein tiefes Verständnis der Klangfarbe findet breite Anwendung in der Musik- und Audiotechnik. Im Instrumentenbau und beim Entwurf elektronischer Klangerzeuger ist die gezielte Gestaltung spektraler und zeitlicher Eigenschaften essenziell. So nutzen Synthesizer beispielsweise spektrale Filter und Hüllkurven, um Klänge mit bestimmten Klangfarben zu erzeugen. In der Tontechnik werden psychoakustische Parameter wie die Schärfe – ein Maß für die Klangfarbenhelligkeit – zur Bewertung der Wiedergabe von Geräuschen und Musik eingesetzt. In der Audio- und Musikinformatik dienen Spectralenvelope-Features häufig zur automatischen Klassifikation und Suche nach Klängen.

Hörbeispiel

Horn_440Hz.wav

Geige_440Hz.wav

Oboe_440Hz.wav

Horn_Geige_Oboe_Vergleich.wav

Obwohl die Tonhöhe bei allen Instrumenten bei 440 Hz liegt, sind noch klare klangliche Unterschiede wahrnehmbar

Wissenschaftliche Diskussion

Der Begriff „Klangfarbe” ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von auditorischen Wahrnehmungsfunktionen. Er verbindet verschiedene akademische Disziplinen wie Akustik, Signalverarbeitung, Musikinformatik, Musikpsychologie und auditorische Neurowissenschaften. Aussagen über seine Eigenschaften hängen dabei vom Anwendungsgebiet ab und sind teilweise noch nicht vollständig erforscht.

Verwandte Literatur

Den Grundpfeiler der Klangfarbenforschung legte Helmholtz mit seiner Konzeption zu diesem Thema in seinem 1863 erschienenen Buch „Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik”. In den 1970er Jahren wurden zahlreiche empirische Forschungen zu diesem Thema durchgeführt, wobei es Arbeiten zu semantischen Attributen für Klangfarbe und sogenannte Klangfarbenräume gab. Beim semantischen Ansatz werden mehrere Klänge auf eine Reihe von verbalen Skalen eingeordnet (z. B. hell – dunkel). Als einflussreiche Studie ist hier die von von Bismarck 1974[von] zu nennen.
Bei den Klangfarbenräumen handelt es sich um eine weitere Einordnungsmöglichkeit von Klängen, bei der nicht vorhandene Begriffe genutzt werden, sondern die Unterschiedlichkeit bewertet und anschließend räumlich verteilt wird. Je ähnlicher sich Klänge anhören, desto näher sind sie auch räumlich angeordnet, sodass sich Klanggruppen bilden können. Studien hierzu waren die von John Grey 1977[Grey] und McAdams und Kollegen 1995[McAdams].

Weblinks

https://www.youtube.com/playlist?list=PL9-WvglIK10jCMN3uEs4L7_aIt6B6GV1g -  Interdisziplinäre Vorträge von Wissenschaftlern zum Thema Klangfarbe in Berlin im Jahr 2017

Quellen

  • [REF]
  • Ellermeier, W., & Hellbrück, J. (2008). Hören – Psychoakustik – Audiologie. In S. Weinzierl (Hrsg.), Handbuch der Audiotechnik (VDI-Buch). Berlin, Heidelberg: Springer.
  • McAdams, S. (2019). Perceptual representation of timbre. In H. Fastl (Hrsg.), Timbre: Acoustics, Perception and Cognition (S. 23–57). Cham: Springer.
  • Siedenburg, K. (2020). Die Farbe macht die Musik: Grundlagen der Klangfarbenwahrnehmung. Akustik Journal, 3, 29–37.
  • von Helmholtz, H. (1863). Die Lehre von den Tonempfindungen als physiologische Grundlage für die Theorie der Musik. Braunschweig: Friedrich Vieweg & Sohn.
  • von Bismarck, G. (1974). Timbre of steady sounds: A factorial investigation of its verbal attributes. Acustica, 30(3), 146–159.
  • Grey, J. M. (1977). Multidimensional perceptual scaling of musical timbres. Journal of the Acoustical Society of America, 61(5), 1270–1277.
  • McAdams, S., Winsberg, S., Donnadieu, S., De Soete, G., & Krimphoff, J. (1995). Perceptual scaling of synthesized musical timbres: Common dimensions, specificities, and latent subject classes. Psychological Research, 58(3), 177–192.
  • Hörbeispiele von Didaktik der Physik - FU Berlin