Creative Audio Director vs. Sound-Operator

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Ich (siehe Quellenangabe unten) gehe in meinen Überlegungen zu diesem Thema von gemachten Erfahrungen für Kinofilme, TV-Produktionen und studentischen Projekten in Deutschland aus. Allerdings weiß ich von zahlreichen internationalen Konferenzen, die ich besucht habe, dass meine Beobachtungen auch in anderen Ländern wohl ähnlich sind, die hier angesprochenen Probleme und Lösungsansätze also auch international von Interesse sein können.

Soundkreative – außer den Filmmusikkomponisten – werden im aktuellen Filmproduktionsprozess in der Regel als Operator wahrgenommen und gebucht. Man kann die zur Verfügung stehende Tontechnik nicht bedienen, also braucht man einen Techniker, dem man möglichst genau sagt, was er zu tun hat und dieser setzt die Wünsche um. Was umgesetzt werden soll, bestimmen Drehbuchautor, Regisseur, eventuell Produzent und Editor, aber nicht der „Tontechniker“. Diese Definition eines Mitarbeiters für Ton als Techniker kommt aus einer Tradition in der auch im Radio oder im Fernsehen sowie im Kinofilm das Kernteam der Kreativität aus Produzent, Autor und Regisseur bestand. Im Drehprozess für einen Film akzeptiert man den Director of Photography als kreativen Mitarbeiter auf Augenhöhe, im Schnitt den Editor. Über Jahrzehnte hinweg wurde Ton zusammen mit dem Bild im Editing-Prozess an Schneidetischen vom Bild-Editor gleichermaßen montiert. Da dieser Prozess nach Drehbuch und Dreharbeiten der Wichtigste war und ist, ist es üblich, dass der Regisseur/Produzent regelmäßig, wenn nicht täglich im Schnitt dabei ist. Seit Schnitt digital geworden ist, ist es nicht selten, dass Regisseure auch selber schneiden. In diesem Prozess werden selbstverständlich die Bewegtbilder sukzessiv aneinander montiert, genauso wird aber in diesem Stadium auch schon Ton layoutet: Dialoge, Off-Screen-Texte, wichtige Elemente der Tonszenerie, diegetische und non-diegetische Musik (Temp Tracks), vielleicht auch schon Voice Over. Da dieses Soundlayout oft mit qualitativ ungenügenden, schnell zusammengesuchten Klängen hergestellt wird, benötigt man am Ende noch einen Tontechniker, der einem das Layout „in Schön“ umsetzt. Ob dieser Techniker sich nun Sound-Engineer, Sounddesigner oder Sound-Editor nennt, ist dabei für den Auftraggeber weniger wichtig: Hauptsache er versteht das Layout, reichert dieses noch um übliche Anteile wie Foley, Atmos und Effekte an und liefert am Ende ein gutes Ausgangsmaterial für die abschließende Mischung, die im Wesentlichen wieder der Regisseur bestimmt.

In deutschen Filmtonstudios ist der Sounddesigner zumeist auch synonym mit dem Sound-Supervisor und dem Sound-Editor, wobei er meistens in seiner Funktion als Sound-Supervisor den Gesamtablauf der Postproduktion überwachen und beeinflussen kann, als Sound-Editor aber einzelne der oben beschriebenen Gewerke im Team mit weiteren Soundeditoren-Kollegen zu erarbeiten hat. Dabei konzentrieren sich die Sounddesigner in ihrer Sound-Montagetätigkeit zumeist auf die Atmo-, Effekte- und SFX-Arbeit. Ich benutze die unterschiedlichen Berufsbezeichnungen daher in folgender Systematik: Der Sound-Editor ist ein Ton-Cutter, der nach klarem Auftrag ein oder mehrere Tongewerke erarbeitet und diese ohne größeres eigenes Tonkonzept im Auftrag für die Mischung anliefert.

Der Sounddesigner ist der Tongestalter, der zwar im Auftrag und in möglichst enger Kommunikation mit Regie, Produktion und oft auch Montage mehrere Tongewerke bearbeitet. Für bestimmte Arbeiten (Schichten) vergibt er Aufträge an Soundeditoren und fordert von diesen bestimmte Leistungen und kommuniziert dazu eng. Meist übernimmt er die Kerngestaltungsschichten im Editing selber, da er ein Tonkonzept erarbeitet und dieses nach Rücksprache mit seinen Auftraggebern konsequent umsetzt. Er ist meistens als Sound-Editor in der Mischung dabei, um die Sound-Dramaturgie gegenüber dem Mischtonmeister und der Regie zu vertreten und ggf. noch schnelle finale Korrekturen in der DAW vornehmen zu können. Er ist aber in deutschen Mischtonstudios in den seltensten Fällen auch Mischtonmeister für die Endmischung.

Der Creative Audio Director (Supervising Sound Editor) muss nicht selber als Editor arbeiten, ist aber – einem Komponisten vergleichbar für die Filmmusik – der konzeptionelle Gestalter, der zum einen den Plan und die erzählerisch, tongestalterische Dramaturgie in Anlehnung an das Drehbuch und die vorliegende Schnittfassung entwirft, dazu sowohl Editoren engagiert und diesen Aufträge gibt und zur möglichst effizienten Zusammenarbeit den gesamten Workflow, die technischen Standards und die Kommunikation zwischen den Abteilungen, wie den einzelnen Tongewerken organisiert. Gleichzeitig muss er möglichst oft mit Zwischenergebnissen (Layouts) mit Regie (oft auch mit der Produktion) und Komponist kommunizieren. In der Mischung ist er im Idealfall gleichberechtigt neben Regie und Produktion (manchmal auch Montage) mit an den endgültigen Entscheidungen beteiligt, wie das von ihm komplett verantwortete Editing/Sounddesign seine Endgestalt bekommt.

Der Soundtrack-Komponist ist klassischerweise der Komponist, der für die harmonisch, rhythmisch, melodischen Passagen im Film verantwortlich ist. Ob er diese mit Instrumenten einspielen lässt, selber elektronisch erzeugt oder eine Mischung von beiden komponiert, ist seine Entscheidung und lediglich abhängig von der getroffenen Auswahl in Kommunikation mit dem Regisseur.

Der Ist-Zustand ist leider in der Regel auch in Deutschland meistens der, dass Sounddesigner und Soundtrack-Komponisten zwar jeweils von dem Fakt wissen, dass da parallel auch jemand am Soundtrack zum gleichen Film arbeitet, aber sie wissen meistens nicht was und wie!

Bei kleineren Produktionen ist der Sounddesigner zugleich Kreativer und Koordinator seiner mit ihm zusammenarbeitenden Soundeditoren. Das ist gut für den „kreativen Guss“, überfordert aber schnell, wenn er auch externe Termine koordinieren muss, technische Standards und Transfers überwachen muss und vor allem auf Unverständnis bei Montage oder Regie stößt, was die technischen und Workflow-Notwendigkeiten für die Tonpostproduktion betrifft.

Bedauerlicherweise ist gerade in Deutschland der Kostendruck ausschlaggebend, dass meistens kein Supervising Sound Editor verpflichtet wird und oft mangelt es sogar an einem Post-Production-Supervisor, der den gesamten Prozess in Bild und Ton nach dem Dreh vor allem logistisch und technisch organisiert und koordiniert. Das Resultat ist dann leider, dass auf Teamebene direkt miteinander kommuniziert und abgestimmt werden muss, oft ohne Hierarchien und technische Standards geklärt zu haben und auftauchende Probleme dann zum Produzenten weitergereicht werden. Da Filmschaffende sehr oft kaum die Systematik und das Fachvokabular des Filmtons kennen, kommt es darüber hinaus viel zu oft zu Situationen, die viel Zeit und Kraft kosten und kaum etwas mit kreativer Arbeit zu tun haben. Es wäre für Produzenten daher äußerst ratsam, die Verpflichtung eines Supervisors oder besser noch Creative Audio Directors fest einzuplanen, wenn ihnen an möglichst großer Kreativität und einem problemfreien Workflow gelegen ist.

Filmton ist eine solch komplexe Symbiose aus unterschiedlichsten Aufnahmen zu unterschiedlichsten Zeiten und Zwecken, dass es eines erfahrenen Music Concrète-Komponisten oder eben eines komponierenden Sounddesigners bedürfte, um das Material zu strukturieren, semantisch im Sinne des Storytellings zu montieren, beziehungsweise in den richtigen Abfärbungsgraden zueinander zu instrumentieren. Wenn dieser darüber hinaus auch noch technischer Koordinator, guter Kommunikator und inhaltlich interessanter Co-Autor zum Filmstoff sein soll, ist das schon mehr als viel verlangt von einer einzelnen Person.

Oder:

Filmton ist eine solch komplexe Symbiose aus unterschiedlichsten Aufnahmen zu unterschiedlichsten Zeiten und Zwecken, dass es eines gut miteinander kommunizierenden und sich gegenseitig beeinflussenden Teams von Spezialisten bedarf, um das Material zu strukturieren, semantisch im Sinne des Storytellings zu montieren, beziehungsweise in den richtigen Abfärbungsgraden zueinander zu instrumentieren. Ein solches Team benötigt aber immer einen Teamleader, der das letzte Wort hat und – möglichst nicht „befangen“ durch eigene Arbeit – vermitteln kann und die Entscheidungen wiederum gegenüber den Auftraggebern verteidigt.

Ich halte beide Möglichkeiten für machbar und ich setze dazu in der Hochschulausbildung an. Beide Möglichkeiten beinhalten das Potenzial zu einem Soundtrack „aus einem Guss“. Dieser wäre eine Komposition in Zusammenklang der heterogenen Materialien Sprache, Musik und Geräusche mit Rücksicht auf ihre architektonischen, melodischen und rhythmischen Werte und Gewichtungen und ihre semantischen Wirkungen auf das Bewegtbild. Gleichzeitig würde diese Komposition die unterschiedlichen Schlüsselwörter, Geräusche oder musikalische Motive horizontal zueinander in motivischen Kombinationen variierend entwickeln und in einer klar strukturierten und sich vertikal zu der Bildmontage begleitenden, assoziierenden bis hin zu dissoziierenden oder gar kontrapunktierenden Disposition für den Gesamtaufbau der Tonschichten und deren Entwicklung in einem „musikalisch, tonsprachlichen Sinne“ entfalten.

Dem Ansatz Michel Chions folgend, dass es im Filmzusammenhang einen autonom unabhängig vom Bewegtbild funktionierenden Soundtrack nicht gibt, geht es dabei trotz aller horizontalen Logik und Stringenz um die vertikale Interaktion von Bewegtbild und Ton in einer Audio-Vision und vor allem um die Frage:
          Was von dem, was ich sehe, höre ich und was nicht – und was von dem, was ich höre, sehe ich und was nicht! – Und was sollen diese Entscheidungen bedeuten?

Ein Team braucht - auch wenn es noch so gut funktioniert - immer einen Supervisor, einen, der Entscheidungen trifft und dafür die künstlerisch/ gestalterische Verantwortung übernimmt. Vergleichbar dem Regisseur im Team von Setdesignern, Kostümdesignern, Maske, Kameramann, Beleuchtern und Schauspielern am Set. Dieser Audio-Regisseur sollte der erfahrenste und universellste Mensch im Team sein, der schon in den meisten, wenn nicht in allen der zugrunde gelegten fünf Schichten praktisch gearbeitet hat. Übrigens ist ein solch universell erfahrener „Ton-Meister“ der Prototyp eines Sounddesigners mit der Erweiterung, dass er planend, koordinierend, überwachend, leitend und kommunizierend ist, die praktische Arbeit aber komplett einem Team an „Arrangeuren“ oder „Interpreten“ überlässt. Ein Sound-Supervisor (oder Supervising Sound Editor) entspricht heute diesem Typus am ehesten, wenn man ihn nicht - wie meistens üblich - lediglich mit dem administrativen und technischen Organisator und Überwacher einer Tonpostproduktion gleichsetzt. Die organisatorische Überwachung, Kalkulation und Kommunikation mit Produktion, zuliefernden Studios und weiterverarbeitenden Spezialfirmen sollte einem Postproduktionsmanager obliegen, die technische Überwachung und Betreuung einem Toningenieur. Die gestalterische, resp. kompositorische Planung und Betreuung des gesamten Tonprozesses aber, sollte dem Sounddesigner, respektive noch besser dem Creative Audio Director obigen beschriebenen Typus obliegen! In solch einem Tonkünstlertypus liegt meiner Meinung nach die kreative Zukunft des Film-Sounddesigns. Wenn in seinem Team auch der Komponist mitarbeitet, besteht die Chance zu einem „Soundtrack“, der einen solchen Namen verdient und der nicht in der Mischung zur Kollision zweier unabhängig voneinander erarbeiteten Sound-Schichten führt.

Es obliegt den Ausbildungsinstituten solche „Soundteams“ in Projektarbeiten als Modellfälle zu bilden. Es ist ratsam für größere Filmtonstudios solche Arbeitsstrukturen und Räumlichkeiten zu schaffen und dem Filmtonmarkt als Pakete anzubieten. Demzufolge sollte es Aufgabe jedes Produzenten sein, die Tonpostproduktion so zu organisieren, dass diese Formen von zeitlicher und räumlicher Zusammenarbeit möglich werden. Ist das real räumlich nicht möglich, ist es heutzutage kein Problem, das virtuell via Cloudsharing von Videofiles und Sound-STEMs zu organisieren und sich regelmäßig zu Videokonferenzen zu verabreden, um sich gemeinsam zur Montage/Soundmontage abzusprechen und kreative Ideen und Reaktionen auf die anderen Beteiligten zu besprechen.

Ältere Bild-Editoren behaupten bis heute gerne, dass der Beruf des Sounddesigners/Soundeditors eigentlich überflüssig sei, da Ton ja früher vom Film-Editor direkt am Schneidetisch mitgeschnitten wurde. Nach vollendeter Ton-Bildmontage bedurfte es früher nur eines Tontechnikers, um die Töne in den Pegeln anzupassen, Asynchronität „gerade zu ziehen“ und Übergänge weicher zu gestalten, bevor der Mischtonmeister dann mit den Perfobändern die Endmischung machte. Durch die sich immer weiter ausdifferenzierende Entwicklung der Tongilde in Sounddesigner, Sound-Editoren, Originaltonmeister- und Editoren, Geräuschsynchronstudios, Nachsynchronstudios, plus separat davon arbeitenden Komponisten und Musiker separierten sich die audio- visuellen Gewerke immer weiter voneinander. Erst seit einer Generation, in der DAWs zu Werkzeugen von Sound-Editoren sowie von Komponisten geworden sind und moderne Schnittprogramme auch eine komplexe Anzahl an Tonspurenlayout ermöglichen, wachsen die Gewerke zunehmend wieder zusammen. Da der Tonprozess im mehrschichtigen Denken und Arbeiten aber bei weitem komplexer geworden ist, als der zumeist nach wie vor auf einen Bildrahmen bezogene sequentielle Bildschnitt, widmen sich teilweise auch schon Soundeditoren dem Bildschnitt und werden somit zu audiovisuellen Editoren mit einer stärkeren Gewichtung der Bild-Ton-Wechselwirkungen, als das früher der Fall war. Da die zur Verfügung stehende Technik – also Software in Form von Schnittprogrammen oder DAWs - zwar zunehmend komplexer, aber durch die grafischen Benutzeroberflächen auch immer leichter erlernbar und zum Teil sogar intuitiv handhabbar sind, bedarf es zur Handhabung dieser Programme heute keines umfangreichen Technikstudiums alter Form mehr. Anstelle der früher üblichen 8-10 Semester Elektrotechnik, Tontechnik oder Bild- und Videotechnik, die am Ende zum Berufsbild des Toningenieurs oder des Medientechnikers führten, sind heute andere Kompetenzen gefragt.

Versteht man das Berufsbild des audiovisuellen Supervisors / Creative Audio Directors mit Montagekompetenzen auch im Bildschnitt richtig, dann hat man es letztendlich mit einem Co-Regisseur zu tun, der mit Regisseur, Autor und Director of Photography einerseits auf Augenhöhe Stoffentwicklung betreiben kann, als andererseits der Fachmann zu sein, der ein ganzes Team von Spezialisten anleiten und koordinieren kann! Es versteht sich von selbst, dass eine solche Person umfangreich Film und alle seine Gewerke, dramaturgische Konzepte sowie Musik und Tongestaltung, Montage und die entsprechenden technischen, wie logistischen Kenntnisse profunde studiert haben muss, um nicht mehr lediglich als Techniker oder Operator, sondern technischer, wissenschaftlicher und kreativer Mitarbeiter für die Filmemacher zu sein!

Ältere Filmemacher werden sich erfahrungsgemäß auf eine solche Form von kreativer Zusammenarbeit kaum einlassen, da Filmton viel zu lange nur als technische Dienstleistung verstanden wurde. Die Hoffnung liegt hier bei jungen Filmemachern, die zukünftiges Filmemachen solchermaßen als Teamarbeit unter gleichberechtigten Kreativen als Chance verstehen!

Der Normalfall einer Stoffentwicklung (egal ob für Film, Video, Fernsehen oder Computer) sollte dazu der sein, dass sich alle für Plot, Bild und Tongestaltung wichtigen Personen zusammensetzen und gemeinsam am Stoff arbeiten, lange bevor das Werk in die Realisation geht. Gibt man diesem Prozess, genauso wie der Realisation und der Postproduktion darüber hinaus genügend Zeitraum, besteht die Chance zu Kunstwerken medialer Art.