Bei vielen dokumentarischen Produktionen wird im Vorfeld diskutiert, ob der Originalton mit einem separaten Audio-Recorder oder direkt auf die Audiospuren der Kamera aufgezeichnet werden soll. Oft entscheiden sich Produktionen für die zweite Lösung, da sie vorerst kostengünstiger und praktischer erscheint. Dabei hat die Arbeit mit einem separaten Audio-Recorder beim Dreh Vorteile, die sich entscheidend auf die Qualität des Originaltons und die gesamte Tonebene eines Films auswirken.
Es wird hierbei von der Notwendigkeit ausgegangen, mindestens 2 Kanäle (z.B. eine Mono-Angel und ein Ansteckmikro) gleichzeitig aufzuzeichnen.
Vorteile
Keine Kabel- oder Funkverbindung zur Kamera
Würde der Ton direkt auf der Kamera aufgezeichnet, müsste es entweder eine drahtlose Verbindung oder eine Verbindung per Kabel vom Mixer zur Kamera geben. Für eine drahtlose Verbindung würden für 2 Kanäle zwei Sender und zwei Empfänger benötigt, die zusammen schon die Kosten eines separaten Recorders übersteigen.
Grundsätzlich kann bei Drahtlosstrecken eine störungsfreie Übertragung nie garantiert werden. Außerdem ist es bei dieser Methode nicht möglich, als Tonmeister das Signal, das letztendlich auf die Kamera-Audiospuren geht, abhörseitig zu kontrollieren. Lediglich der Mischerausgang wird abgehört.
Das bedeutet, Qualitätseinbußen, die durch die Verwendung der Drahtlosanlagen (z.B. Aussetzer, Artefakte etc.) zwischen Mischer und Kamera entstehen, bleiben unbemerkt.
Bei der kabelgebundenen Lösung wird diese Fehlerquelle zwar ausgeschlossen, und es ist meist auch möglich, als Tonmeister den Kopfhörer-Ausgang der Kamera abzuhören, jedoch bedeutet diese Methode eine erhebliche Einschränkung der Flexibilität, Mobilität und Beweglichkeit des Kameramanns und des Tonmeisters bei den Dreharbeiten, da beide per Kabel zusammenhängen. Vor allem bei bewegter Kamera (z.B. Handkamera) und in engen und unwegsamen Drehverhältnissen ist diese Lösung nicht realisierbar.
Autarke Aufzeichnungsmöglichkeit für Nurtöne und Atmos
Ohne ein separates Ton-Aufzeichnungsgerät müssten sämtliche Nurtöne und Atmos auf die Kamera aufgezeichnet werden. Diese Konstellation resultiert in den meisten Fällen in das letztendliche Nichtvorhandensein relevanter Töne in der Postproduktion.
Einsatz von Stereo-Angel und mehreren Ansteck-Mikros durch mehr Spuren
Moderne Recorder bieten die Möglichkeit, je nach Modell bis zu 16 Spuren diskret aufzuzeichnen. Dadurch wiederum ergeben sich Möglichkeiten, z.B. in Stereo (M/S Stereo) oder gar Surround zu angeln (Doppel-M/S) und zusätzlich mehrere Ansteck-Mikrofone auf separate Spuren aufzuzeichnen, ohne am Set einen endgültigen Downmix machen zu müssen. In der Postproduktion kann man so die einzelnen relevanten Signale optimal herausarbeiten. Durch die zusätzlichen Rauminformationen und die damit verbundene große Klangfülle und Klangvielfalt des Originaltons wirken Stereo- oder Surround-Aufnahmen gerade beim Dokumentarfilm authentischer, realistischer und damit letztendlich auch dokumentarischer, als Originalton in Mono.
Höhere Audioqualität bei separaten Recordern
Dezidierte Audio-Recorder zur separaten Tonaufzeichnung verfügen gewöhnlich über weitaus bessere Eingangsverstärker und A/D-Wandler als eine beliebige Profi-Kamera. Der digitale Ton wird stets linear und unkomprimiert (z.B. 48 kHz, 24 Bit) aufgezeichnet. D.h. das Tonsignal wird schlicht und einfach in einer besseren Qualität (weniger Rauschen, mehr Dynamikumfang, kein Übersprechen) gespeichert.
Ist das Anlegen des Audiomaterials ein wirklicher Mehraufwand?
Audio-Recorder zeichnen heute gewöhnlich BWAV (Broadcast Wave) Files auf Harddisk oder Speicherkarte auf, die von den gängigen Schnittsystemen (Avid, Final Cut Pro etc.) direkt gelesen werden können. Diese Dateien enthalten zusätzlich zur mehrspurigen digitalen Audioinformation auch noch Metadaten wie Benennung, Kommentare, Timecode etc.. So kann schon beim Dreh mit einer Freerun-Timecode-Verkopplung mithilfe von beispielsweise Ambient Lockits Bild- und Tonmaterial stets logisch miteinander verknüpft und im Schnittraum automatisiert angelegt werden, ohne großen zusätzlichen Zeit- oder Kostenaufwand. Dies funktioniert auch bei semiprofessionellen Kameras ohne TC-Input durch Verwendung der Audiospur für den TC. Das Tonanlegen ist mittlerweile sowohl am Avid als auch am Final Cut Pro eine Sache von wenigen Minuten.